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Seit Herbst 2007 gibt es eine private Aktion, bei der 30.000 Euro
ausgeschrieben wurden, für den Beweis einer Fälschung der Apollo-Mondlandungen. An dieser 30.000-Euro-Challenge
ist auch ein Mitglied von clavius.info beteiligt. Wir finden die Bewerbung
Nr.3
von Jürgen Staalkopff und Martin Müller interessant genug um sie hier vorzustellen.
Hier eine kurze Zusammenfassung:
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Im
YouTube-Clip
"Apollo15 waving flag"
[1] schwingt die Flagge ab 2:37 für
Mondverhältnisse viel zu schnell. Die Schwingungsperiode des
Sternenbanners ist mit ca.2s zu kurz, wie mit einem ähnlichen Objekt auf der Erde leicht
ermittelt und auf 1/6g umgerechnet werden kann. Die Flagge hat eine hängende Länge von
71cm. Ein an einem Ende
reibungsfrei aufgehängter Stab gleicher Länge würde
auf dem Mond mit einer
Periodendauer von 3,4s schwingen.
Für seine Periodenzeit gilt: T = 2 * pi * sqrt (2/3 * L/g).
Eine Tuchschwingung ist nicht identisch mit der Schwingung eines steifen
Stabes. Ein Tuch schwingt langsamer als ein gleichlanger Stab, es würde auf
dem Mond
eine Periodendauer von ca.4,9s
haben. Dies
widerlegt die Behauptung, daß die Aufnahmen von Apollo
15 auf dem Mond stattgefunden haben können. [Bewerbung
3 zur 30.000Euro-Challenge]
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Der Fall scheint auf den ersten Blick simpel und eindeutig. Wenn man
allerdings die Bewegung der Apollo-Flagge genauer analysiert, wird schnell klar,
dass es so einfach nicht ist. Zunächst muss man anmerken,
dass es unterschiedliche Pendelarten
gibt. Die beiden wichtigsten sind das idealisierte mathematische
Pendel und das physikalische
Pendel. Eine horizontal aufgehängte Flagge, welche im Vakuum hin und her schwingt, entspricht am ehesten einem physikalischen Pendel. Dies
wurde richtig erkannt und auch die Versuche sind darauf ausgerichtet. Eine solche frei hängende Flagge
haben wir als
Fall 1 bezeichnet (siehe Bild). Wenn das Flaggentuch dünn, biegsam und gleichmäßig strukturiert ist, dann
ergibt sich die
Pendelachse durch Verbiegung des Flaggentuchs direkt unterhalb der
Aufhängung, da dort der größte Hebelarm wirkt. Diesen Biegebereich haben wir hellgrün
gekennzeichnet. Als Pendellänge kann man praktisch die
herabhängende Länge der Flagge annehmen. Für diesen Fall ist der Vergleich mit
einem pendelndem Stab durchaus zutreffend. Die Berechnungsformel für die Periodenzeit eines
Stab-Pendels T = 2 * pi * sqrt ( 2 / 3 * L / g ) kann hier
angewendet
werden [2]. Für einen Stab oder ein Flaggentuch der Länge 71cm ergibt sich auf dem
Mond eine theoretische Periodendauer von 3,4s [3].
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Es wurde also durchaus richtig gerechnet. Wenn die
Apolloflagge Fall 1 entsprechen würde, dann wäre die bei
Apollo15 gemessene Periodendauer von ca. 2s zu kurz und somit ein klarer Hinweis darauf, dass die
TV-Aufnahme nicht vom Mond stammen kann. Leider entsprechen die Apollo-Flaggen
nicht diesem einfachen Fall, u.a. deswegen, weil sie zusätzlich noch unten am Flaggenstab
mit einer Schlaufe befestigt sind. Das sieht man in vielen Fotos, wie in AS11-40-5874,
AS15-88-11866
oder AS17-134-20380.
Eine Apollo-Flagge entspricht daher eher Fall 2.
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Wenn eine Flagge an einer Querstange aufgehängt ist (a nach
b) und zusätzlich noch unten an Punkt c fixiert, dann wird sie am freien Schwingen gehindert und kann
nicht mehr mit einem physikalischen Standard-Pendel verglichen werden. Im Dreieck abc kann das Flaggentuch
gar nicht frei schwingen, sondern nur noch in der hellgrün markierten Fläche bcd. Sehr gut sieht man
dies bei der Aufstellung
der Apollo14-Flagge (Videoclip
/ ab 22sec) [4]. Bei einem glatten Tuch ergibt sich auch keine definierte Pendelachse mehr, da
es sich im
gesamten Dreieck bcd verbiegt. Das kommt daher, da der Biegequerschnitt
von der Diagonalen bc zur Ecke rechts unten kontinuierlich abnimmt. So verringert
sich zwar der Hebelarm zur Spitze, genau so aber auch der Biegewiderstand und es
bildet sich bei den Ausschlägen ein flacher Bogen. Bei Kenntnis der genauen
Materialparameter kann diese Schwingung noch relativ leicht berechnet bzw. simuliert werden
[5].
Versuche zeigen, dass eine Flagge mit 3-Punktaufhängung etwa 20% schneller
schwingt als eine horizontal aufgehängte. Fall 2 stellt allerdings auch nur eine Idealisierung dar, da das
Tuch weiterhin als homogene Fläche
ohne Falten, Säume und mit perfekter Abspannung angesehen wird.
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Für den Fall 1 ist es eher belanglos ob das Tuch Falten,
Knicke oder Verwerfungen hat, wenn es nicht zu viele direkt unter der Aufhängung sind
und damit die Entstehung einer Pendel-Biegeachse behindern. Für den Fall 2 sind Falten viel
kritischer, da sich eine große Fläche mit unzähligen aber kleineren
Hebelarmen verbiegt. Die Apollo-Flaggen hatten, bedingt durch den Transport [6], sehr
viele Falten, die bei jeder Flagge etwas anders ausfielen. Bei der Apollo15-Flagge
sind besonders die senkrechten Falten im unteren Bereich auffallend. Da diese im Dreieck bcd quer zu den
virtuellen Biegelinien verlaufen (Bild links) erschweren sie dort die Biegung,
denn sie entsprechen Sicken, die ein Material
biegesteifer machen. Senkrecht zu den Falten kann sich das Flaggentuch nur schwer verbiegen, parallel dazu praktisch ungehindert.
Bei Aufstellung der Flagge sehen wir, wie sich die Flagge bei stärkeren Ausschlägen
verhält (YouTube-Clip
25-29s / Animation rechts).
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In der Sequenz ist zu erkennen, dass die Kräfte dem geringsten Widerstand folgen
und über
die Falten eine eigene spezifische Pendelfläche ausbilden. Fall 3 zeigt
schematisch, welche Biegeflächen (hellgrün) sich durch die
Falten der Flagge ergeben und wie die resultierende Pendelachse verläuft.
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Wenn auch die genaue Lage und Neigung der resultierenden (virtuellen) Pendelachse
schwierig zu bestimmen sein dürfte, so ist doch naheliegend, dass die Pendelfläche bed schneller schwingt als das
größere Dreieck bcd in Fall 2.
Für diesen Fall 3 spielen auch die Materialeigenschaften des Tuchs (vor allem
Elastizität und Dämpfung) eine größere Rolle
und dürfen bei einer etwaigen Berechnung nicht vernachlässigt werden.
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Man könnte annehmen, Fall 3 beschreibt die mechanische
Grundlage für die Pendelbewegung der Apollo15-Flagge schon recht gut. Wenn man sich
jedoch die TV-Aufzeichnung genauer anschaut, wird man feststellen, dass auch die
Querstange hin und her schwenkt. Noch besser erkennt man das in einer Animation
der beiden Maximalausschläge (links). Da die Querstange verdrehsteif mit dem Flaggenstab verbunden
ist [6],
kann sie nur schwenken, wenn der Flaggenstab mit verdreht wird. Wir
haben es also zusätzlich noch mit einer Torsionsschwingung
[7] zu tun (Bild rechts).
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Ob die treibende Kraft für das Flaggenpendeln vom Gestänge ausgeht, oder ob die Querstange vom
pendelnden Tuch nur
mitgezogen wird, ist nicht sicher. Letzteres dürfte wahrscheinlicher sein. Entscheidend
ist vielmehr, dass
die Kombination aus Flaggenstab und Querstange eine zusätzliche Feder darstellt
[7], die mit berücksichtigt werden muss.
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Als vorläufiges Ergebnis kann man die Apollo15-Flagge als kombiniertes Pendel ansehen
(Fall 4), deren Einzelschwingungen völlig unterschiedlich sind. Die Pendelachse A ist mit dem Flaggenstab fest
definiert und steht senkrecht. Die Pendelbewegung um diese Achse hat eine große Pendellänge
(ca.1,2m) aber nur einen kleinen Ausschlag (ca.1-2cm an der Spitze der
Querstange). Sie ist eine
Torsionsschwingung, die nur indirekt (über das Flaggentuch) von der Gravitation
beeinflußt wird. Die virtuelle Pendelachse B ist
zu A etwa 40° geneigt, deren exakte Lage aber wegen der Falten
unsicher - besonders im unteren Bereich. Das Pendel um Achse B hat
eine Länge von ca.40-50cm, einen Ausschlag von zusätzlichen 2-3cm (an Spitze d) und beruht hauptsächlich
auf der Gravitation.
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Insgesamt ergibt sich ein kombiniertes Pendel, welches praktisch nichts mit dem
angenommenen Fall 1 zu tun hat. Selbstverständlich kann dieser Fall 4 auch nur eine angenäherte Beschreibung der tatsächlichen Pendelbewegung darstellen. Es ist
zweifelhaft, ob sich die Bewegung wegen der vielen Unbekannten [8] mathematisch genau
genug erfassen lässt. Ein abschließendes Urteil, ob die Flagge in
der TV-Übertragung zu schnell oder genau richtig schwingt, kann nicht
gemacht werden.
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Fazit
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Die beiden Bewerber haben die Pendelbewegung der
Apollo15-Flagge falsch interpretiert und in seiner Komplexität unterschätzt.
Eine an 3 Punkten aufgehängte Flagge kann nicht
mit einem Stabpendel verglichen werden. Außerdem ist der Einfluss der
Falten nicht erkannt und übersehen worden, dass auch die Querstange mitschwingt.
Die Berechnungen und Versuche sind daher für diesen speziellen Fall nicht anwendbar und
wertlos.
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Anhang
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1. |
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Die Qualität des Youtube-Clips ist eher bescheiden. Bessere Qualität bieten die DVDs von spacecraftfilms.
Der entsprechende Ausschnitt findet sich im Apollo15-Set
/ DVD4 / EVA2 / Back at the LM / 12:50 bis 15:56.
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2. |
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Quelle: Paul A. Tipler - "Physik" / Aufl. 2
/ 2006 / Kapitel 14.3 / Beispiel 14.10 / S.443
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3. |
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Die Behauptung "Ein Tuch schwingt langsamer als ein gleichlanger Stab, es würde
auf
dem Mond
eine Periodendauer von ca.4,9s haben." haben wir aus der Analyse
heraus genommen. Sie spielt letztlich keine Rolle, weil schon der Ansatz
(Fall 1) zu Berechnung der Apollo-Flaggenbewegung falsch ist. Wir halten
das für eine Fehleinschätzung, mit dem Verdacht auf bewußte
Irreführung. Letzteres möglicherweise deswegen, um den Kontrast von
eigener These zur Beobachtung stärker ausfallen zu lassen. Wir können
keinen gravierenden Unterschied von Stabpendel zu horizontal pendelnder
Flagge erkennen, vorausgesetzt beide schwingen im Vakuum. Umso dünner
(biegsamer) ein Tuch und größer seine freie Pendellänge, desto näher
kommt ein "Tuchpendel" dem theoretischen Ideal
Stabpendel. Die
Materialeigenschaften eines dünnen Tuchs (Elastizität und Dämpfung)
dürften sich an der Biegestelle weitgehend aufheben und eine Flagge mit ähnlicher Periodenzeit schwingen lassen wie ein Stabpendel. Dies
ließe sich in einer Vakuumkammer leicht überprüfen. Die Beweispflicht
läge bei den Bewerbern. |
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4. |
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Achtung dieser Clip läuft doppelt so schnell wie das
Original.
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5. |
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Dokumente, die die Grundlagen zur
Bewegungssimulation von Stoffen beschreiben:
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Physics
based cloth simulation by Huh, Suejung Bang, Ph.D., University
of Pennsylvania, 2002 |
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Large
Steps in Cloth Simulation by David Baraff and Anderw Witkin, Carnegie Mellon University, 1998 |
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6. |
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Quelle: Where
No Flag Has Gone Before
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7. |
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siehe Torsionsschwingung,
Torsionspendel,
Drehstabfeder
und Rückstellkraft
bei Schwingungen
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8. |
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Unter anderem können folgende Einflüsse
eine
Rolle spielen:
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1. Die A15-Flagge steht nicht genau
senkrecht und die Querstange ist nicht rechtwinklig zum Flaggenstab.
Siehe z.B. AS15-88-11928
und AS15-88-11866.
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2. Wie bei der Aufstellung der Flagge zu sehen (YouTube-Clip
bei 25-29s / Animation
2), biegt sich das Flaggentuch nach hinten besser als nach vorne. Auch das
kommt von der Faltung (Wicklung) beim Transport. Näheres dazu in Where
No Flag Has Gone Before.
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3. Die Abpannung der Flagge bei der Aufstellung spielt
eine Rolle. Flaggenstab und Querstange sind als
Teleskopgestänge ausgeführt. Der Auszug der Querstange bestimmt die
Breite der Flagge und die Verwerfungen im Flaggentuch. Es kann nicht
sicher sein, wie weit der Querstange jeweils ausgezogen wurde.
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4. Temperatureinflüsse (Sonneneinstrahlung) auf die
Materialeigenschaften.
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5. ... ... ... |
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Bearbeitung: Susanne Walter susanne.walter1
@ gmx.de
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zuletzt aktualisiert: 07.07.2008
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